Notruf
Ich steige in den Fahrstuhl und drücke den Knopf für den dritten Stock denn da will ich hin. Meine Freundin Luise wohnt dort und ich will sie besuchen. Dazu kommt es aber erst mal nicht weil plötzlich das alte Telefon im Fahrstuhl klingelt. Nun gehöre ich ja nicht zu den Menschen, die immer ans Telefon gehen auch wenn es grade nicht passt. Aber da steht „Notruftelefon“ über dem Telefon und da muss man doch rangehen, nicht wahr? Es könnte ja sehr wichtig sein. Also gehe ich ran: „Hallo?“.
„Kommen Sie schnell! Es ist sehr wichtig!“ sagt eine männliche Stimme am anderen Ende. „Wohin denn?“ frage ich einigermaßen alarmiert.
„In den Keller“, sagt die Stimme, „Sie müssen den Knopf mit dem roten „K“ darauf drücken“.
Also lege ich auf und drücke den Knopf mit dem roten „K“. Der Fahrstuhl ruckelt ein wenig rum, irgendwo quietscht ein Seilzug oder sowas und dann geht es plötzlich abwärts. Ziemlich schnell, wie ich finde. Rumpelnd kommt der Fahrstuhl schließlich zum Stehen, die Türen gleiten auf und ich blicke zunächst in undurchdringliche Dunkelheit. Es riecht nach Feuchtigkeit. Ein kühler Luftzug weht herein. Das ist für einen Keller vielleicht nicht ungewöhnlich aber geheuer ist mir das nicht. Ich will wieder nach oben und drücke beherzt auf die „3“.
Es geschieht aber genau gar nichts, was ich seltsamerweise auch vermutet hatte.
Also betrete ich vorsichtig in den Kellergang. Wie sich herausstellt, ist er beinahe beleuchtet. In Abständen hängen Lampen an den Wänden und ab und zu brennt sogar eine davon, was den Rest des Ganges eher noch dunkler macht.
Und es ist still. Nur das Geräusch meiner eigenen Schritte wird beinahe ärgerlich von den Wänden zurückgeworfen als hätte es dort nichts zu suchen. Als hätte ich dort nichts zu suchen. Und langsam frage ich mich auch ob ich hier tatsächlich irgendwas zu suchen habe und wenn ja was? Aber die Stimme am Telefon hatte drängend geklungen. Es muss wohl wichtig sein. Also gehe ich weiter.
Ein leises Brummen mischt sich nun plötzlich in die Stille und aus einem Seitengang weiter vorn scheint Licht auf meinen Gang. Als ich um die Ecke biege stehe ich vor einer großen Flügeltür mit Milchglasscheiben. Darauf steht „Notaufnahme“. Aha! Es scheint so eine Art Krankenhaus zu sein. Na, jedenfalls bin ich hier richtig. Ich drücke auf den Türöffner und die Türen schwingen fast geräuschlos auf.
Dahinter erkenne ich tatsächlich die Notaufnahme eines Krankenhauses, nur dass es – bis auf das seltsame Brummen – hier erstaunlich ruhig ist. Ein paar Meter hinter der Tür steht ein Mann in weißem Kittel und betrachtet eingehend etwas, das er auf einer roten Kladde vor sich hält. Dann wird er auf mich aufmerksam. Er nickt mir zu und winkt mich zu sich. Es scheint mir, als hätte er mich erwartet.
Er ist mittelgroß, gut gebaut und hat kurzes, leicht gewelltes schwarzes Haar. Und dann die Augen - bernsteinfarbene Augen, die von irritierender Intensität sind, wie ich bemerke als er ihren Blick auf mich richtet. Auf einem Namensschild an der Brusttasche des Kittels steht:
Dr. Loki Heljason
(Notarzt)
„Guten Tag“, sage ich.
Er nickt nur.
„Kommen Sie“, sagt er dann und geht voraus den Flur entlag zu einem Zimmer. Er öffnet die Tür und lässt mich eintreten. Dann folgt er mir.
Auf dem Bett liege ich selbst und sehe ziemlich lädiert aus. Gar nicht gut.
„Ohweh!“ sage ich. „Was ist denn da passiert?“
„Ein Unfall, schlimme Sache“, sagt Dr. Heljason ernst. Dann erzählt er mir in groben Zügen die Geschichte, in der eine Katze, ein LKW, ein roter Regenschirm und 4 Flaschen Bier eine Rolle spielen.
„Ohweh!“ sage ich noch mal. Er nickt nur.
„Kann ich irgendwas tun?“ frage ich.
„Ja“, sagt er, „es ist eigentlich ganz einfach: Sie dürfen nur nicht heute nachmittag um 16:37 Uhr aus dem Bus der Linie 107 an der Haltestelle Schildhornstrasse aussteigen. Dann könne wir sie schon heute Abend entlassen und morgen früh sind sie wieder ganz bei sich.“
„Das klingt einfach“, sage ich.
„Ist es im Prinzip auch“, antwortet er, „nur dürfen sie leider nichts von hier mitnehmen...“
Ich schaue irritiert. Was sollte ich denn mitnehmen wollen?
„...auch keine Erinnerungen...“ fügt er hinzu.
„Oh!“, sage ich als mir die Tragweite klar wird.
Er nickt wieder.
„Könnten Sie mir nicht kurz vorher irgendwie einen klitzekleinen Hinweis geben?“ frage ich hoffnungsvoll.
„Leider nein“, sagt er, „ich darf sie außerhalb der Station nicht kontaktieren.“
‚Aber Sie haben mich doch vorhin auch im Fahrstuhl angerufen, es war Ihre Stimme, die hab ich ganz genau erkannt!’ will ich rufen, überlege es mir aber im letzten Moment anders, unterdrücke den Impuls und sage statt dessen nur „Oha!“.
„Genau!“ sagt er. Ein schnelles Lächeln sprintet über seine Lippen um sofort wieder hinter dem Ausdruck ernster Besorgtheit in Deckung zu gehen.
„Jetzt müssen Sie aber wieder gehen“, sagt er dann, „Sie brauchen Ruhe“. Dabei sieht er auf mein Ich im Bett hinab.
„Ja, klar, aber wie...“, will ich fragen.
„Hier raus, den Gang nach rechts runter, durch die kleine Tür in den Flur. Dort ist der Fahrstuhl.“ kommt er mir zuvor.
„Oh, danke“, sage ich, drehe mich langsam um und gehe zur Tür.
„Seien Sie spontan!“ ruft er mir noch nach.
Ich mache mich auf den Weg zum Fahrstuhl und drücke mir dabei selbst die Daumen, dass nachher alles gut läuft.
Ich drücke den Knopf um den Fahrstuhl zu rufen.
Da macht etwas wusch. Nichts weiter. Nur wusch. Kurz ist mir auch wenig schwindelig.
Dann ist er da.
Ich steige in den Fahrstuhl und drücke den Knopf für den dritten Stock denn da will ich hin. Meine Freundin Luise wohnt dort und ich will sie besuchen.
Als der Fahrstuhl sich nach oben in Bewegung setzt, betrachte ich das alte Notruftelefon dort an der Wand. Kurz habe ich so ein unbestimmte Gefühl, als es müsse jeden Moment klingeln.
Später an diesem Nachmittag bringt mich Luise noch zum Bus. Die Haltestelle ist nicht weit. Nach kurzem Warten kommt auch ein Bus, der 107er, meine Linie. Ich verabschiede mich von meiner Freundin und steige ein. Dabei schaue ich kurz auf die Uhr. 16:16 Uhr. Wenn der Bus gut durchkommt, bin ich in 20 min da. Ich suche mir einen Platz und mache es mir bequem.
Dann säuselt die Computerstimme irgendwann „Nächster Halt: Schildhornstrasse“. Meine Haltestelle. Ich drücke den „Halt“-Knopf. Der Bus nähert sich der Haltebucht als plötzlich mein Handy klingelt. Ich bin etwas erstaunt. Wer kann das sein? Ich krame das Handy aus meinem Rucksack und schaue drauf. „Notruf“ steht auf dem Display. Das klingt ernst. Ich gehe ran. „Hallo?“ sage ich. Aber es ist niemand dran. Ich lege wieder auf.
Der Bus hat die Haltestelle erreicht und die Tür geht auf. In dem Moment habe ich eine Idee: Ich könnte ja noch 2 Stationen weiterfahren und mir einen Film aus der Videothek oben am Marktplatz ausleihen. Diese Idee gefällt mir ganz ausgezeichnet. Also setze ich mich wieder hin, denn ich war schon halb aufgestanden um auszusteigen.
Als ich mit meinem Film aus der Videothek komme und noch einmal an den seltsamen Anruf denke, muss ich plötzlich laut lachen weil mir einfällt, dass ich doch gar kein Handy habe. Ich mag die Dinger nicht. Vorsichtshalber schaue ich noch mal im Rucksack nach. Nein, da ist kein Handy drin. Wusste ich’s doch! Kopfschüttelnd gehe ich weiter.
Zu Hause angekommen lege ich den Film ein und mache es mir mit einem Glas Holunderwein gemütlich.
Irgendwie habe ich das Gefühl, heute Geburtstag zu haben. Dabei ist der noch 3 Monate hin.
Erstaunlich.
„Du hast geschummelt!“ sagt eine weibliche Stimme vorwurfsvoll.
„Hab’ ich nicht!“ sagt die männliche Stimme entrüstet.
„Hast du wohl.“, sagt sie resigniert und seufzt. Dann nimmt sie den Faden wieder auf...
„Kommen Sie schnell! Es ist sehr wichtig!“ sagt eine männliche Stimme am anderen Ende. „Wohin denn?“ frage ich einigermaßen alarmiert.
„In den Keller“, sagt die Stimme, „Sie müssen den Knopf mit dem roten „K“ darauf drücken“.
Also lege ich auf und drücke den Knopf mit dem roten „K“. Der Fahrstuhl ruckelt ein wenig rum, irgendwo quietscht ein Seilzug oder sowas und dann geht es plötzlich abwärts. Ziemlich schnell, wie ich finde. Rumpelnd kommt der Fahrstuhl schließlich zum Stehen, die Türen gleiten auf und ich blicke zunächst in undurchdringliche Dunkelheit. Es riecht nach Feuchtigkeit. Ein kühler Luftzug weht herein. Das ist für einen Keller vielleicht nicht ungewöhnlich aber geheuer ist mir das nicht. Ich will wieder nach oben und drücke beherzt auf die „3“.
Es geschieht aber genau gar nichts, was ich seltsamerweise auch vermutet hatte.
Also betrete ich vorsichtig in den Kellergang. Wie sich herausstellt, ist er beinahe beleuchtet. In Abständen hängen Lampen an den Wänden und ab und zu brennt sogar eine davon, was den Rest des Ganges eher noch dunkler macht.
Und es ist still. Nur das Geräusch meiner eigenen Schritte wird beinahe ärgerlich von den Wänden zurückgeworfen als hätte es dort nichts zu suchen. Als hätte ich dort nichts zu suchen. Und langsam frage ich mich auch ob ich hier tatsächlich irgendwas zu suchen habe und wenn ja was? Aber die Stimme am Telefon hatte drängend geklungen. Es muss wohl wichtig sein. Also gehe ich weiter.
Ein leises Brummen mischt sich nun plötzlich in die Stille und aus einem Seitengang weiter vorn scheint Licht auf meinen Gang. Als ich um die Ecke biege stehe ich vor einer großen Flügeltür mit Milchglasscheiben. Darauf steht „Notaufnahme“. Aha! Es scheint so eine Art Krankenhaus zu sein. Na, jedenfalls bin ich hier richtig. Ich drücke auf den Türöffner und die Türen schwingen fast geräuschlos auf.
Dahinter erkenne ich tatsächlich die Notaufnahme eines Krankenhauses, nur dass es – bis auf das seltsame Brummen – hier erstaunlich ruhig ist. Ein paar Meter hinter der Tür steht ein Mann in weißem Kittel und betrachtet eingehend etwas, das er auf einer roten Kladde vor sich hält. Dann wird er auf mich aufmerksam. Er nickt mir zu und winkt mich zu sich. Es scheint mir, als hätte er mich erwartet.
Er ist mittelgroß, gut gebaut und hat kurzes, leicht gewelltes schwarzes Haar. Und dann die Augen - bernsteinfarbene Augen, die von irritierender Intensität sind, wie ich bemerke als er ihren Blick auf mich richtet. Auf einem Namensschild an der Brusttasche des Kittels steht:
(Notarzt)
Er nickt nur.
„Kommen Sie“, sagt er dann und geht voraus den Flur entlag zu einem Zimmer. Er öffnet die Tür und lässt mich eintreten. Dann folgt er mir.
Auf dem Bett liege ich selbst und sehe ziemlich lädiert aus. Gar nicht gut.
„Ohweh!“ sage ich. „Was ist denn da passiert?“
„Ein Unfall, schlimme Sache“, sagt Dr. Heljason ernst. Dann erzählt er mir in groben Zügen die Geschichte, in der eine Katze, ein LKW, ein roter Regenschirm und 4 Flaschen Bier eine Rolle spielen.
„Ohweh!“ sage ich noch mal. Er nickt nur.
„Kann ich irgendwas tun?“ frage ich.
„Ja“, sagt er, „es ist eigentlich ganz einfach: Sie dürfen nur nicht heute nachmittag um 16:37 Uhr aus dem Bus der Linie 107 an der Haltestelle Schildhornstrasse aussteigen. Dann könne wir sie schon heute Abend entlassen und morgen früh sind sie wieder ganz bei sich.“
„Das klingt einfach“, sage ich.
„Ist es im Prinzip auch“, antwortet er, „nur dürfen sie leider nichts von hier mitnehmen...“
Ich schaue irritiert. Was sollte ich denn mitnehmen wollen?
„...auch keine Erinnerungen...“ fügt er hinzu.
„Oh!“, sage ich als mir die Tragweite klar wird.
Er nickt wieder.
„Könnten Sie mir nicht kurz vorher irgendwie einen klitzekleinen Hinweis geben?“ frage ich hoffnungsvoll.
„Leider nein“, sagt er, „ich darf sie außerhalb der Station nicht kontaktieren.“
‚Aber Sie haben mich doch vorhin auch im Fahrstuhl angerufen, es war Ihre Stimme, die hab ich ganz genau erkannt!’ will ich rufen, überlege es mir aber im letzten Moment anders, unterdrücke den Impuls und sage statt dessen nur „Oha!“.
„Genau!“ sagt er. Ein schnelles Lächeln sprintet über seine Lippen um sofort wieder hinter dem Ausdruck ernster Besorgtheit in Deckung zu gehen.
„Jetzt müssen Sie aber wieder gehen“, sagt er dann, „Sie brauchen Ruhe“. Dabei sieht er auf mein Ich im Bett hinab.
„Ja, klar, aber wie...“, will ich fragen.
„Hier raus, den Gang nach rechts runter, durch die kleine Tür in den Flur. Dort ist der Fahrstuhl.“ kommt er mir zuvor.
„Oh, danke“, sage ich, drehe mich langsam um und gehe zur Tür.
„Seien Sie spontan!“ ruft er mir noch nach.
Ich mache mich auf den Weg zum Fahrstuhl und drücke mir dabei selbst die Daumen, dass nachher alles gut läuft.
Ich drücke den Knopf um den Fahrstuhl zu rufen.
Da macht etwas wusch. Nichts weiter. Nur wusch. Kurz ist mir auch wenig schwindelig.
Dann ist er da.
Ich steige in den Fahrstuhl und drücke den Knopf für den dritten Stock denn da will ich hin. Meine Freundin Luise wohnt dort und ich will sie besuchen.
Als der Fahrstuhl sich nach oben in Bewegung setzt, betrachte ich das alte Notruftelefon dort an der Wand. Kurz habe ich so ein unbestimmte Gefühl, als es müsse jeden Moment klingeln.
Später an diesem Nachmittag bringt mich Luise noch zum Bus. Die Haltestelle ist nicht weit. Nach kurzem Warten kommt auch ein Bus, der 107er, meine Linie. Ich verabschiede mich von meiner Freundin und steige ein. Dabei schaue ich kurz auf die Uhr. 16:16 Uhr. Wenn der Bus gut durchkommt, bin ich in 20 min da. Ich suche mir einen Platz und mache es mir bequem.
Dann säuselt die Computerstimme irgendwann „Nächster Halt: Schildhornstrasse“. Meine Haltestelle. Ich drücke den „Halt“-Knopf. Der Bus nähert sich der Haltebucht als plötzlich mein Handy klingelt. Ich bin etwas erstaunt. Wer kann das sein? Ich krame das Handy aus meinem Rucksack und schaue drauf. „Notruf“ steht auf dem Display. Das klingt ernst. Ich gehe ran. „Hallo?“ sage ich. Aber es ist niemand dran. Ich lege wieder auf.
Der Bus hat die Haltestelle erreicht und die Tür geht auf. In dem Moment habe ich eine Idee: Ich könnte ja noch 2 Stationen weiterfahren und mir einen Film aus der Videothek oben am Marktplatz ausleihen. Diese Idee gefällt mir ganz ausgezeichnet. Also setze ich mich wieder hin, denn ich war schon halb aufgestanden um auszusteigen.
Als ich mit meinem Film aus der Videothek komme und noch einmal an den seltsamen Anruf denke, muss ich plötzlich laut lachen weil mir einfällt, dass ich doch gar kein Handy habe. Ich mag die Dinger nicht. Vorsichtshalber schaue ich noch mal im Rucksack nach. Nein, da ist kein Handy drin. Wusste ich’s doch! Kopfschüttelnd gehe ich weiter.
Zu Hause angekommen lege ich den Film ein und mache es mir mit einem Glas Holunderwein gemütlich.
Irgendwie habe ich das Gefühl, heute Geburtstag zu haben. Dabei ist der noch 3 Monate hin.
Erstaunlich.

„Hab’ ich nicht!“ sagt die männliche Stimme entrüstet.
„Hast du wohl.“, sagt sie resigniert und seufzt. Dann nimmt sie den Faden wieder auf...
Elli Crown - 13. Nov, 21:34